Ehegattenunterhalt: Lebenslange Unterhaltsverpflichtung nicht ausgeschlossen!

Mit der Unterhaltsrechtsreform im Jahr 2008 wurde der nacheheliche Unterhalt stark eingeschränkt und das Prinzip finanzieller Eigenverantwortung betont. Doch nach wie vor sind nachehelich zeitlich unbegrenzte Unterhaltsverpflichtungen möglich. Das zeigt die folgende Entscheidung des OLG Brandenburg (Urteil v. 21.02.2012, 10 UF 253/11):

Die Parteien hatten im Jahr 1980 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind zwei

– inzwischen volljährige – Kinder hervorgegangen. Der Ehemann (Antragsteller) arbeitete vollschichtig als Kraftfahrer, die Ehefrau (Antragsgegnerin) war in Teilzeit beim Kreissportbund tätig. Mit einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden erzielte sie ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 830 EUR. Ihre Ausbildung zur Gärtnerin hatte sie im Hinblick auf die Geburt der gemeinsamen Kinder bereits 1979 abgebrochen. Während der Ehe arbeite sie stundenweise als Aushilfe in einer Kindertagesstätte, ansonsten kümmerte sie sich um Kinder und Haushalt. Der Antragsteller ist der Auffassung, er sei zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt nicht verpflichtet, weil die Ehefrau sich um eine lukrativere Arbeit bemühen müsse; zumindest sei der Unterhaltsanspruch zeitlich zu befristen.

1. Das OLG teilte die Auffassung des Antragstellers, dass die beruflichen Aktivitäten der Ehefrau nicht ausreichend waren. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Eigenverantwortung nach der Ehe gem. § 1569 BGB sei es der Antragsgegnerin zuzumuten, vollschichtig zu arbeiten. Unter Berücksichtigung ihrer Erwerbsbiografie und einiger qualifizierender Maßnahmen in der Vergangenheit wäre die Antragsgegnerin nach Auffassung des OLG bei entsprechenden Bemühungen in der Lage, ein monatlich bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 1.000 EUR zu erzielen. Das Gericht stellte daher zu Lasten der Ehefrau ein monatliches fiktives Einkommen in Höhe von 1.000 EUR in die Unterhaltsberechnung ein.

2. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Befristung oder zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs (§ 1578 b BGB) trifft den Unterhaltsschuldner, der eine Befristung anstrebt, die primäre Darlegungs- und Beweislast für die für eine Befristung sprechenden Tatsachen. Hierzu gehört die Darlegung beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten, die der Unterhaltsberechtigte vorwerfbar nicht in Anspruch genommen hat. Nach diesen Grundsätzen ist nach Auffassung des OLG im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin wegen der Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kindes ihre berufliche Ausbildung als Gärtnerin aufgegeben hatte. Die abgebrochene Ausbildung sei damit ein ehebedingter Nachteil, der die Antragsgegnerin auch im Hinblick auf die über dreißigjährige Dauer der Ehe nachhaltig daran hindere, eine der abgebrochenen Qualifikation entsprechende Stelle anzutreten.

Deshalb und weil in einer langjährigen Ehe eine ausgeprägte wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Eheleuten entstehe, die die Ehepartner zu wirtschaftlicher Solidarität auch über den Zeitpunkt der Scheidung hinaus verpflichtet, komme im vorliegenden Fall eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nicht in Betracht.

Fazit:

Trotz Unterhaltsreform mit Einschränkung des nachehelichen Unterhalts und Stärkung des Prinzips der finanziellen Eigenverantwortung kann ein Unterhaltsschuldner

– seine entsprechende Leistungsfähigkeit vorausgesetzt – dann lebenslang zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt verpflichtet werden, wenn der Unterhaltsberechtigte infolge ehebedingter Nachteile dauerhaft an der Erzielung eines seinen Fähigkeiten entsprechenden eigenen Einkommens gehindert ist


Studio Legale Reichel
Beatrix Grossblotekamp, LL.M.
Rechtsanwältin