Ausgleichsanspruch des im Ausland tätigen Vertragshändlers H

Hat ein Vertragshändler, der für einen in Deutschland ansässigen Hersteller tätig ist, aber dessen Vertragsgebiet nicht in Deutschland, sondern in einem anderen Staat der Europäischen Union (EU) und dem Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) liegt, bei Vertragsende einen zwingenden Ausgleichsanspruch aus der analogen Anwendung von § 89 b Abs. 1  des deutschen Handelsgesetzbuchs (HGB)? Oder kann dieser Anspruch allein aufgrund des Umstandes, dass der Vertragshändler ausschliesslich im Ausland tätig war, vom deutschen Hersteller wirksam vertraglich ausgeschlossen werden? Diese Fragen hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem neueren Urteil vom 25.02.2016 (Az. VII ZR 102/15) zugunsten des Vertragshändlers entschieden.

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: der in Schweden ansässige Vertragshändler war für den in Deutschland ansässigen Hersteller in verschiedenen EU- Staaten sowie im EWR-Staat Norwegen tätig. Der Vertragshändler war in die Absatzorganisation des Herstellers ähnlich einem Handelsvertreter eingegliedert und er hatte dem Hersteller die Kundendaten zu übersenden. Der Ausgleichsanspruch war vertraglich zwischen den Parteien ausgeschlossen worden. Nach Beendigung des Vertragshändlervertrages machte die schwedische Vertragshändlerin dennoch den Ausgleichsanspruch entsprechend § 89 b HGB geltend. Zu Recht oder nicht?

Zu Recht, hat der BGH entschieden. Vorliegend war deutsches Recht kraft wirksamer Rechtswahl der Parteien vereinbart worden. Auch waren bei der schwedischen Vertragshändlerin die Analogievoraussetzungen erfüllt, unter denen § 89 b HGB nach ständiger Rechtsprechung auf Vertragshändler entsprechend anzuwenden ist.

Einem Vertragshändler kann, wie einem Handelsvertreter, in analoger Anwendung des § 89 b HGB ein Ausgleichsanspruch gegen den Hersteller oder Lieferanten im Falle der Beendigung des Vertragsverhältnisses zustehen, wenn der Vertragshändler

  • aufgrund besonderer vertraglicher Abmachungen so in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert ist, dass er wirtschaftlich in weitem Umfang Aufgaben zu erfüllen hat, die sonst einem Handelsvertreter zukommen, und
  • soweit er verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann.

Der BGH sah den vertraglichen Ausschluss des Anspruchs auf Ausgleich entsprechend  § 89 b HGB als unwirksam an. Nach § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB kann der Anspruch des Handelsvertreters auf Ausgleich im Voraus nicht ausgeschlossen werden.

Fazit: durch die Entscheidung des BGH besteht nun Rechtssicherheit dahingehend, dass sich ein Streit um den Ausgleichsanspruch – zumindest dem Grunde nach – für den Hersteller nicht lohnt.

Für zukünftige Vertragshändlerverträge mit Vertragsgebiet innerhalb der EU und des EWR kann die Wahl eines – auch innereuropäischen – Rechts empfehlenswert sein, das keinen zwingenden Ausgleichsanspruch für Vertragshändler kennt. Das in diesem Zusammenhang immer wieder gerne bemühte Schweizer Recht eignet sich hierfür allerdings nicht. Es kennt den zwingenden Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bzw. Vertragshändlers unter sehr ähnlichen – wenn auch nicht abschließend geklärten – Voraussetzungen wie das deutsche Recht.


Studio Legale Reichel
Beatrix Grossblotekamp, LL.M.
Rechtsanwältin