Wegen eines Zeugnisses allein wird zwar niemand eingestellt, aber ohne eben auch nicht. Ist das Zeugnis nicht in Ordnung, kann das durchaus der Grund dafür sein, dass die Bewerbungsunterlagen ohne Einladung zum Vorstellungsgespräch zurückkommen. Doch wie erkennt man, was wirklich im Arbeitszeugnis steht? Wie sieht ein gutes Zeugnis aus? Wie erkennt man die ”Geheimcodes” und was ist zu tun beim Verdacht auf ein fehlerhaftes Arbeitszeugnis?
I. Der Aufbau des Arbeitszeugnisses:
Der Aufbau eines Arbeitszeugnisses sollte sich nach der Überschrift (z.B. Zeugnis, Zwischenzeugnis etc.) und einer kurzen Einleitung (persönliche Daten des Arbeitnehmers, Daten zu Beginn/Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses) in vier Teile gliedern:
1. Die Tätigkeitsbeschreibung
In der Tätigkeitsbeschreibung sollen die Aufgaben des Arbeitnehmers so vollständig und genau benannt werden, dass sich ein fachkundiger Dritter hierüber umfassend informieren kann. Dabei ist darauf zu achten, dass die wesentlichen Aufgaben genannt werden und sich Details/unwichtige Aufgaben entweder gar nicht oder höchstens am Ende der Aufzählung/Beschreibung finden.
2. Die Leistungsbeurteilung
In der Leistungsbeurteilung sind die Fähigkeiten und Kenntnisse des Arbeitnehmers, seine Arbeitsweise und sein Arbeitserfolg zu beurteilen. Dies soll zunächst durch Einzelbeurteilungen zu verschiedenen Leistungskriterien (z.B. Fachwissen, Auffassungsgabe und Problemlösungsfähigkeit, Belastbarkeit, Leistungsbereitschaft etc.) geschehen. Die sog. zusammenfassende Leistungsbeurteilung (z.B. “Er hat alle Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erfüllt.”) soll die Leistungsbeurteilung mit der Gesamtbewertung abschliessen.
Bei Arbeitnehmern, die als Führungskräfte tätig sind/waren, soll auch eine Darstellung und Beurteilung der Führungsleistung erfolgen (z.B. “Frau XY erzielte mit ihren Mitarbeitern stets sehr gute Leistungen. Sie erkannte und förderte die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter jederzeit und berücksichtigte ihre Belange.”).
3. Die Verhaltensbeurteilung
Mit der Verhaltensbeurteilung (z.B. “Sein persönliches Verhalten war stets vorbildlich.”) wird das Sozialverhalten des Arbeitsnehmers, d.h. sein Verhältnis zu und sein Verhalten gegenüber Vorgesetzen, Kollegen, Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern bewertet. Wie bei der Leistungsbeurteilung auch hat sich zur Bewertung eine Formulierungspraxis entwickelt mit abgestuften Formulierungen und einer entsprechenden Bewertungsaussage.
4. Die Schlussformulierung
In der Schlussformulierung sollen sich Angaben zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die sog. Dankens- Bedauerns- Formel sowie Zukunftswünsche finden (z.B. “Herr XY scheidet am xx.xx.20xx auf eigenen Wunsch aus unserer Firma aus. Wir bedauern seine Entscheidung sehr, da wir einen ausgezeichneten Mitarbeiter verlieren. Wir danken ihm für seine Tätigkeit und wünschen ihm weiterhin viel Erfolg und persönlich alles Gute.”).
II. Geheimcodes und die “geheime Sprache” der Zeugnisaussteller
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das Zeugnis wohlwollend auszustellen, den Grundsatz der Zeugniswahrheit zu berücksichtigen und dem Arbeitnehmer das berufliche Fortkommen nicht unnötig zu erschweren. Bei einem Verstoß gegen diese Verpflichtung kann ein Arbeitgeber schadensersatzpflichtig werden. So z.B. auch bei der Verwendung der sog. Geheimcodes:
1. “Klassischer” Formulierungskatalog:
Schon fast als klassisch zu bezeichnen sind Formulierungen wie z.B. “Wir lernten ihn als umgänglichen Kollegen kennen” und “Aufgrund seiner anpassungsfähigen und freundlichen Art war er im Betrieb sehr geschätzt”. Ersteres bedeutet “übersetzt” nichts anderes, als dass viele den betreffenden Mitarbeiter lieber gehen als kommen sahen, während zweiteres ein Hinweis auf Probleme mit Alkohol während der Arbeitszeit ist.
2. Andere Techniken:
Weitere Techniken, eine vordergründig gute Bewertung nach unten zu korrigieren und/oder dem Leser versteckte Hinweise zu geben, sind:
a.) das Ausfüllen des Adressfeldes auf dem ausgefertigten Zeugnisexemplar
b.) das sog. beredte Schweigen: hier werden zu einer nach dem Tätigkeitsinhalt erwartbaren Leistungsbewertung einfach keine Angaben gemacht (z.B. bei einer Verkaufstätigkeit fehlt die Bewertung der Verkaufserfolge). So versteht der Leser sogleich, dass es diesbezüglich Probleme gegeben hat.
c.) die Wahl einer anderen Reihenfolge in Standardformulierungen der Zeugnissprache: hier wird eine in der Zeugnissprache feststehende Formulierung verändert. Wird also z.B. die für die Verhaltensbeurteilung feststehende Formulierung “Sein persönliches Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war stets einwandfrei” umgeschrieben in “Sein persönliches Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten war stets einwandfrei”, dann liegt für den erfahrenen Zeugnisleser klar auf der Hand, dass das Verhalten gerade nicht einwandfrei war, denn nach den Regeln der Zeugnissprache müssen die Vorgesetzten an erster Stelle der Aufzählung genannt werden.
d.) die Negation: hier werden z.B. Negativbegriffe verneint (z.B. “Er erzielte nicht unerhebliche Erfolge.” anstatt “Er arbeitete sehr erfolgreich.”), so dass vordergründig ein positiver Eindruck entsteht, den der geübte Leser aber schnell als das, was wirklich zum Ausdruck gebracht werden soll, entlarven kann.
e.) die Passivierung: der (häufige) Gebrauch des Passivs kann ein Hinweis auf mangelnde Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft sein, z.B. “wurde beschäftigt” anstatt “beschäftigte sich mit” oder “hatte zu erledigen” anstatt “erledigte”.
III. Wichtige Praxistipps:
1. Die Zeugnisanalyse
Fehler könen bei der Erstellung eines Arbeitszeugnisses sowohl bei der äußeren Form wie auch beim Zeugnisinhalt gemacht werden. So kann z.B. das Knicken eines Zeugnisses einen Hinweis an den Leser enthalten.
Beim Inhalt reichen die Fehler von der Verwendung missverständlicher Formulierungen bis hin zur Verwendung unzulässiger Formulierungen, die als „Geheimcodes“ (s.o.II.) bekannt sind.
Entscheidend bei der Beurteilung eines Zeugnisses sind auch nicht (nur) die sog. zusammenfassende Leistungsbeurteilung und die Verhaltensbeurteilung, denn die beiden vorgenannten Formulierungen sind heute allgemein bekannt und haben deshalb an Bedeutung verloren. Vielmehr sollte immer das gesamte Zeugnis untersucht und auf den Gesamtkontext geachtet werden.
Wichtig ist neben dem Gesamtkontext auch, dass sich die Bewertung einzelner Fähigkeiten oder Kenntnisse durch die zusammenfassende Leistungsbeurteilung wiederspiegelt. Desweiteren ist auch darauf zu achten, dass in der Tätigkeitsbeschreibung die berufscharakteristischen Tätigkeiten zuerst genannt werden.
Wer als Führungskraft tätig war/ist, sollte zudem darauf achten, dass auch seine Führungsfähigkeiten erwähnt werden.
Ferner ist auch die Schlussformulierung sehr wichtig. In ihr finden sich Angaben zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie üblicherweise auch eine sog. Dankens-Bedauerns Formel und Zukunftswünsche. Eine Schlussformulierung kann eine vorangegangene gute Beurteilung bekräftigen oder sie in Frage stellen und damit entwerten.
Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in einer jüngeren Entscheidung (Urteil vom 11. Dezember 2012, Aktenzeichen: 9 AZR 227/11) festgestellt, dass Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Dank und gute Wünsche im Arbeitszeugnis haben: in der Praxis gilt aber nach wie vor, dass ein Arbeitszeugnis ohne entsprechende Schlussformulierung kaum brauchbar sein dürfte. Erfahrungsgemäß lesen die meisten Personalfachleute zunächst einmal die Schlussformulierungen und messen dieser Aussage eine nicht unerhebliche Bedeutung zu.
2. Das Arbeitszeugnis selbst schreiben
a.) Das Arbeitszeugnis selbst schreiben zu dürfen/ zu müssen, kann einerseits eine tolle Chance sein; laienhaft umgesetzt kann man sich damit jedoch auch einen wahren Bärendienst im Hinblick auf den Karriereweg erweisen.
Zeugnissprache ist für den Laien schwer verständlich oder irreführend- wie so häufig gilt auch hier der Satz “Der Teufel steckt im Detail”. Gleichwohl werden Zeugnisse vielfach leider nicht sorgfältig bzw. nicht mit dem hierfür tatsächlich erforderlichen Fachwissen erstellt. Häufig passiert es dann, dass die Fehler eines Zeugnisses erst bemerkt werden, wenn der Anspruch auf Korrektur des Zeugnisses schon verjährt oder verwirkt ist (s.u.5.).
Ein gutes Zeugnis zu schreiben ist eine Kunst, die viele Arbeitnehmer -und Arbeitgeber- nicht beherrschen. Die Praxis in der Zeugnisberatung zeigt, dass zwar oft mit den besten Absichten ans Werk gegangen wird, die “selbstgebastelten” Zeugnisse dann aber doch aus Unwissenheit oder Unachtsamkeit schwere Mängel enthalten.
b.) Die häufig vorgeschlagenen Textbausteine, beispielsweise aus dem Internet, können dem Laien bei der Zeugnisausstellung zwar durchaus behilflich ein, sollten aber nicht völlig ungeprüft in das eigene Zeugnis übernommen werden. Auch ist eine Aneinanderreihung von Pauschalformulierungen oder Textbausteinen ebenso wenig hilfreich wie selbstkreierte, aber in der Zeugnissprache vollkommen unbekannte, Formulierungen.
Ein gutes Zeugnis zeichnet sich dadurch aus, dass es in sprachlich flüssiger Formulierung einerseits individuell für den Arbeitnehmer erstellt ist, anderseits aber auch die in der Zeugnissprache bekannten Formulierungen enthält und dem Leser insgesamt einen glaubhaften Aussagegehalt vermittelt.
c.) Besonderer Wert sollte bei der Zeugniserstellung darauf gelegt werden, dass die Tätigkeitsbeschreibung zutreffend ist und die Qualitäten erwähnt werden, die für die Tätigkeit des Arbeitnehmers tatsächlich wichtig sind: bei jemandem, der eine Verkaufstätigkeit ausübt, darf z.B. nicht fehlen, dass er dabei erfolgreich war. Verfügt der Arbeitnehmer über besondere Befähigungen oder hat er an erfolgreichen Projekten mitgewirkt bzw. diese verantwortet, kann auch das konkret erwähnt werden.
3. Ist das Arbeitszeugnis wirklich fehlerhaft?
Bei Unsicherheit darüber, ob das Arbeitszeugnis fehlerhaft ist, kann nur empfohlen werden, fachmännischen Rat, z.B. bei einem auf Zeugnisrecht spezialisierten Rechtsanwalt, einzuholen. Die Kosten, die durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts entstehen, können von der Rechtsschutzversicherung übernommen werden (s.u.6.). Ein Rechtsanwalt kann prüfen, ob das Zeugnis tatsächlich fehlerhaft ist und ob ein Berichtigungsanspruch besteht. Wichtig ist es auch, unverzüglich zu handeln und nicht einfach abzuwarten und somit die Verwirkung oder Verjährung des Berichtungsanspruchs zu riskieren (s.u.5.).
4. Wie kann die Zeugniskorrektur durchgesetzt werden?
Man kann sich entweder selbst an den ehemaligen Arbeitgeber wenden und um Korrektur des Zeugnisses bitten. Wer das nicht möchte, dem kann empfohlen werden, sich an einen fachkundigen Rechtsanwalt zu wenden. Vielfach gelingt es so, ein ordnungsgemäßes Zeugnis zu erhalten. Gelingt dies ausnahmsweise nicht, kann ein Zeugnis auch eingeklagt werden. Außerdem kann auch der Schaden, der durch eine unterlassene, unrichtige oder unvollständige Zeugniserteilung beim Arbeitnehmer eingetreten ist, vom Rechtsanwalt geltend gemacht werden. So haftet beispielsweise der ehemalige Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für den Minderverdienst, der dadurch entsteht, dass der Arbeitnehmer bei Bewerbungen kein ordnungsgemäßes Zeugnis vorweisen kann.
5. Achtung: Verjährung und Verfristung!
Der Zeugnisanspruch verjährt nach 3 Jahren, beginnend mit dem auf das Austrittsjahr folgenden Jahr. Der Anspruch auf die Erteilung oder Berichtigung eines qualifizierten Zeugnisses unterliegt aber auch noch einer Verwirkungsfrist, die viel kürzer sein kann. Zudem sehen Arbeitsverträge oder auch Tarifverträge, auf die häufig in Arbeitsverträgen verwiesen wird, oftmals sehr kurze Fristen, zum Beispiel drei Monate, vor, innerhalb derer man reklamieren muss.
6. Kosten:
Die Kosten, die entstehen dadurch, dass bei einem fehlerhaften Arbeitszeugnis ein Rechtsanwalt zu Rate gezogen wird, können als Werbungskosten steuermindernd geltend gemacht werden. Besteht eine Rechtsschutzversicherung so ist eine Kostenübernahme durch diese möglich.
Studio Legale Reichel – Beatrix Grossblotekamp, LL.M. – Rechtsanwältin