Die EU-Erbrechtsverordnung (ErbVO) hat auch Auswirkungen auf den deutsch-schweizerischen Erbfall. Für die in der Schweiz wohnhaften Deutschen gelten seit dem 17. August 2015 im Erbfall neue Bestimmungen, die sich aus der ErbVO ergeben.
Die ErbVO führt zu einer Vereinfachung und Vereinheitlichung der Abwicklung von internationalen Erbfällen innerhalb der EU: sie bestimmt einheitlich für den gesamten EU-Raum (Dänemark, Irland, Vereinigtes Königreich ausgenommen), welcher EU-Staat für die Abwicklung eines Erbfalls zuständig ist und welches nationale Erbrecht der zuständige EU-Staat dabei anzuwenden hat.
Die ErbVO hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf Erbfälle innerhalb der EU, sondern sie ist auch dann von Relevanz, wenn ein Deutscher in der Schweiz verstirbt. Dies gilt sowohl im Hinblick auf Behörden- und Gerichtszuständigkeit wie auch auf das auf den Nachlass zur Anwendung zu bringende materielle Recht.
Internationale Zuständigkeit des Nachlassgerichts
Nach den Vorschriften der ErbVO bestimmt sich die
internationale Zuständigkeit des Nachlassgerichts grundsätzlich nach dem
Ort, an dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in
einem Mitgliedstaat hatte. Deutsche Nachlassgerichte sind daher
grundsätzlich dann für den Nachlass zuständig, wenn der Erblasser zum
Todeszeitpunkt seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland
hatte. Hatte der Erblasser hingegen seinen letzten gewöhnlichen
Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat (wie z.B. der Schweiz), so sind
die Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem sich Nachlassvermögen
befindet, dann international zuständig, wenn der Erblasser die
Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats im Zeitpunkt seines Todes
besaß, oder, wenn dies nicht der Fall ist, der Erblasser seinen
vorhergehenden gewöhnlichen Aufenthalt in dem betreffenden Mitgliedstaat
hatte, sofern die Änderung dieses gewöhnlichen Aufenthalts zum
Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts nicht länger als fünf Jahre
zurückliegt. Das bedeutet z.B.: besitzt ein deutscher Staatsangehöriger,
der seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hatte, in
Deutschland gelegenes Vermögen (z.B. Grundstücke, Bankguthaben,
Unternehmensbeteiligungen etc.) so kann es nach den Bestimmungen der
ErbVO dazu kommen, dass trotz des letzten gewöhnlichen Aufenthalts in
der Schweiz die deutschen Nachlassgerichte und -behörden für den
gesamten Nachlass zuständig sind. Die deutschen Behörden und Gerichte
sind damit gemäß der ErbVO – vorbehältlich abweichender internationaler
Staatsverträge – nicht nur für das in Deutschland gelegene Vermögen,
sondern auch für das weltweite und damit auch für das in der Schweiz
gelegene Vermögen zuständig.
Für alle in der Schweiz wohnhaften Deutschen, die verhindern wollen, dass bei ihrem Ableben die deutschen Nachlassgerichte und Behörden für ihren gesamten Nachlass zuständig sind, lohnt es sich somit, rechtzeitig eine entsprechende Vermögensnachlassplanung vorzunehmen.
Materielles Erbrecht
Neben der internationalen Gerichts- und Behördenzuständigkeit
regelt die ErbVO, welches nationale materielle Erbrecht auf den Erbfall
anwendbar ist. Das materielle Erbrecht regelt z.B. die Frage, wer mit
welchen Quoten Erbe wird, wer Pflichtteilsberechtigter ist etc.
Grundsätzlich ist das Recht desjenigen Staates anwendbar, in welchem der
Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte.
Das kann auch das Erbrecht eines Nicht-EU-Staates (z.B. Schweiz) sein.
Verstirbt also ein deutscher Staatsangehöriger an seinem letzten
gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Schweiz, so ist gemäß den
Bestimmungen der ErbVO das schweizerische Erbrecht anwendbar. Sollte ein
anderes materielles Erbrecht bevorzugt werden, so besteht nach den
Bestimmungen der ErbVO die Möglichkeit, eine Rechtswahl zu treffen. Für
Erblasser kann die Wahl einer anderen Rechtsordnung vorteilhafter sein,
wenn ihnen die Regelungen der ausländischen Rechtsordnung unter
Umständen bestimmte Erbfolgegestaltungen ermöglicht, die nach der
eigenen Rechtsordnung nicht möglich wären (Ausschluss von Erben,
Bevorzugung von Erben etc.). Die Rechtswahl wird durch die Schweizer
Gerichte anerkannt, wenn der deutsche Erblasser in der Schweiz
verstirbt.
Erbschaftsteuerrecht
Die neue EU- Erbrechtsverordnung regelt nur die Fragen
bezüglich des materiellen Erbrechts, nicht aber des Steuerrechts. Das
bedeutet in der Konsequenz, dass ein Erblasser das auf den Erbfall zur
Anwendung zu bringende Erbschaftsteuerrecht nicht durch Rechtswahl
bestimmen kann.
Fazit
Gerade deutschen Staatsangehörigen, die noch vor ihrem Umzug in
die Schweiz ein Testament oder einen Erbvertrag aufgesetzt haben, kann
eine rechtliche Prüfung empfohlen werden, damit es nicht zu
unerwünschten Folgen kommt, z.B. weil sich entgegen den Wünschen des
Erblassers bei dessen Tod ein anderes internationales Nachlassgericht
mit seinem Nachlass beschäftigt oder ein anderes als sein bevorzugtes
Erbrecht zur Anwendung gebracht wird.
Schließlich kann auch deutschen Staatsangehörigen, die vorübergehend in einem anderen EU-Staat als Deutschland – z. B. in Italien – gewohnt und dort auch Immobilieneigentum erworben haben, empfohlen werden, ihre Vermögensnachlassplanung überprüfen zu lassen, wenn sie wieder nach Deutschland zurückkehren oder sich in der Schweiz niederlassen.
Studio Legale Reichel
Beatrix Großblotekamp, LL.M.
Rechtsanwältin