Elektrosmog und EHS: Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld

Weil bislang noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte, dass elektromagnetische Strahlung (sog. „Elektrosmog“) der Gesundheit schadet, ist Elektromagnetische Hypersensitivität (EHS) noch keine anerkannte Krankheit.  Die Rechtsprechung vertritt daher die Auffassung, dass das Thema Elektrosmog nicht vor Gerichte gehört, sondern zunächst durch den Verordnungsgeber zu regeln ist. Jetzt zeigen zwei bahnbrechende Entscheidungen ausländischer Gerichte eine andere Tendenz.

Als Präzedenzfall gilt ein Gerichtsurteil aus dem französischen Toulouse. Dort hatte eine ehemalige Radioproduzentin geklagt, weil sie wegen EHS in eine ländliche Gegend umziehen musste, um weniger elektromagnetischer Strahlung durch WLAN und Mobilfunk ausgesetzt zu sein. Das Gericht stufte die Klägerin als zu 85 % behindert ein und bewilligte eine finanzielle monatliche Unterstützung in Höhe von € 680,-. In eine ähnliche Richtung geht das Urteil eines italienischen Gerichts vom April 2017. In dem dort entschiedenen Fall erkannte das Gericht häufiges berufliches Telefonieren als Ursache eines Gehirntumors an und sprach dem Kläger wegen des durch den Tumor verursachten dauerhaften Hörschadens eine monatliche Zahlung der Unfallversicherung in Höhe von € 500,- zu. Mit der Entscheidung wurde weltweit von einem Gericht zum ersten Mal die Verwendung eines Handys als Ursache für einen Gehirntumor anerkannt.

Beide Entscheidungen zeigen, dass auch die Gerichte letztlich davon ausgehen, dass die Schädlichkeit elektromagnetischer Strahlung inzwischen so gut wie gesicherte Erkenntnis ist. Ähnlich war die Entwicklung in der Rechtsprechung vor Jahren bereits auch für die Themen Asbest, Tabak und bestimmte Holzschutzmittel, bei denen es nach jahrelanger Abwehrhaltung der Gerichte im Hinblick auf Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche von Geschädigten schließlich doch zu einer Trendwende bei Gerichten und auch bei den Verordnungsgebern kam.

Wird erwartbar davon ausgegangen, dass auch andere Gerichte der neuen Tendenz folgen, so erhöhen sich für Geschädigte elektromagnetischer Strahlung die Chancen, ihre Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld erfolgreich mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen.

Im Bereich des Schadenersatzes können Ansprüche wegen auftretender Vermögensschäden (z.B. wegen immissionsbedingter Wertminderung einer Liegenschaft, Verdienstausfall, Nutzungsausfall, entgangenem Gewinn etc.) in Betracht kommen. Auch können in diesem Zusammenhang Ansprüche auf Unterlassung des Betriebs einer Mobilfunksendeanlage bestehen.

Für immaterielle Schäden bei Körper- oder Gesundheitsverletzung kann ein Schmerzensgeldanspruch in Betracht kommen, und zwar sowohl im Rahmen der sog. Gefährdungshaftung wie auch einer Verschuldenshaftung. Dabei bestimmt sich die Höhe des zu bezahlenden Schmerzensgeldes insbesondere nach Faktoren wie z.B. der Art und Schwere des Leidens, der Dauer des Leidens und dem Grad des Verschuldens des Schädigers.


Studio Legale Reichel
Beatrix Grossblotekamp, LL.M.
Rechtsanwältin