Das Europäische Parlament hat im März diesen Jahres für grenzüberschreitende Erbfälle die neue “Europäische Erbrechtsverordnung” (EU-ErbVO, Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses) erlassen.
Ein Kernstück der EU-ErbVO ist die Einführung eines europäischen Erbscheins (“europäisches Nachlasszeugnis”), der die Abwicklung von grenzüberschreitenden Erbfällen innerhalb der EU erleichtern soll. Erben müssen sich künftig also nicht mehr in jedem Land ein eigenes Nachlasszeugnis ausstellen lassen. Der europäische Erbschein ähnelt in Inhalt und Wirkung dem deutschen Erbschein: er gibt z.B. Auskunft über das anwendbare Recht, die Person des Erben, die Erbquoten und die Vermögenswerte. Ebenso wie der deutsche enthält der europäische Erbschein eine Vermutungswirkung dahingehend, das die im Erbschein benannte Person zur Rechtsnachfolge berechtigt bzw. mit den im Erbschein ausgewiesenen Befugnissen ausgestattet ist und keine anderen Verfügungsbeschränkungen als die ausgewiesenen bestehen. Er dient als Nachweis für die Stellung als Erbe, Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker.
Neben der Einführung des internationalen Erbschein soll durch die Regelungen der EU-ErbVO aber auch europaweit (ausgenommen: Großbritannien, Irland, Dänemark) Einklang herrschen über Zuständigkeiten und anwendbares Erbrecht bei Erbschaften mit Auslandsbezug. Die Regelungen sollen zu einer einheitlichen Beantwortung der Frage führen, ob z.B. für einen in Italien lebenden Deutschen bei Eintritt des Erbfalles das deutsche oder das italienische Recht anzuwenden ist. Das materielle Erbrecht, also das Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht sowie das Güterrecht, werden von der EU-ErbVO allerdings nicht betroffen, eine EU- weite Harmonisierung des Erbrechts findet durch die neue EU-ErbVO daher nicht statt!
Ausweislich der Regelungen in der EU-ErbVO soll zur Beantwortung der Frage, welches materielle Recht zur Anwendung kommt, i.d.R. künftig an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers angeknüpft werden. Allerdings wird dem Erblasser zusätzlich auch die Möglichkeit gegeben, das Recht seiner EU- Staatsangehörigkeit zu wählen. So würde der in Italien lebende Deutsche also grundsätzlich nach italienischem Recht vererben, könnte sich aber auch für das deutsche Erbrecht entscheiden.
Bei Tod in einem EU-Mitgliedsstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser nicht innehat, soll nach den Regelungen in der EU-ErbVO die Erbschaft nach den Regelungen und von den Gerichten des Mitgliedsstaates abgewickelt werden, in dem der Erblasser zuletzt seinen ordentlichen Wohnsitz hatte. Somit soll vermieden werden, dass sich Gerichte in verschiedenen Mitgliedsstaaten für zuständig erklären und unterschiedliche Regeln zur Anwendung bringen wollen.
Alternativ hat der Erblasser die Möglichkeit, seine testamentarischen Verfügungen nach den Regeln des EU- Mitgliedstaates, dessen Staatsangehörigkeit er inne hat, abwickeln zu lassen. Damit kann er sicherzustellen, dass die in seinem Heimatland vorgesehenen Bestimmungen zum Tragen kommen, z.B. im Fall von Schenkungen, die er zu Lebzeiten vornimmt.
Die formale Zustimmung des Ministerrates, die für das Inkrafttreten der Erbrechtsverordnung notwendig ist, steht augenblicklich noch aus, nach derzeitigem Kenntnisstand ist mit ihr aber etwa Mitte diesen Jahres zu rechnen. Gelten soll die Erbrechtsverordnung dann für Erbfälle ab ca. Mitte des Jahres 2015.
Bereits jetzt kann es ratsam sein, ein Testament zu errichten bzw. ein errichtetes Testament überprüfen zu lassen und eine entsprechende Rechtswahl vorzunehmen, um mögliche Nachteile, die sich bei Eintritt des Erbfalls aus dem dann zur Anwendung zu bringenden materiellen Recht und der Abwicklung des Nachlasses in einem anderen Staat, als dem gewünschten, ergeben können, zu vermeiden.
Studio Legale Reichel – Beatrix Grossblotekamp, LL.M. – Rechtsanwältin