Erbrecht im Verhältnis Frankreich – Schweiz

Viele Schweizer Staatsangehörige haben, vor allem im Rentenalter, ihren Wohnsitz in Frankreich genommen. Welche Folgen hat diese Wohnsitznahme aber im Erbschaftsfall? Im Folgenden soll diese Frage im Hinblick auf das im Falle der Erbschaft anzuwendende Erbrecht und im Hinblick auf das Steuerrecht angerissen werden.

Viele Schweizer Staatsangehörige haben, vor allem im Rentenalter, ihren Wohnsitz in Frankreich genommen.

Welche Folgen hat diese Wohnsitznahme aber im Erbschaftsfall?

Im Folgenden soll diese Frage im Hinblick auf das im Falle der Erbschaft anzuwendende Erbrecht und im Hinblick auf das Steuerrecht angerissen werden.

Welches Erbrecht ist maßgebend?

Die Frage, nach welchem Recht die Erbschaft beurteilt werden soll, stellt sich besonders dann, wenn der Schweizer Erblasser in Frankreich lebte. Ist nun das schweizerische oder das französische Erbrecht anzuwenden? Welche Behörden erledigen die Formalitäten, wer stellt den Erbschein aus?

Welches Recht Anwendung finden soll regeln grundsätzlich die Rechtsordnungen der beteiligten Länder, in unserem Fall also Frankreich und die Schweiz.

Als Anknüpfungspunkte, nach welchem Recht das Erbe zu beurteilen ist, können die Staatsangehörigkeit auf der einen und der letzte Wohnsitz des Erblassers auf der anderen Seite gelten.

Sowohl die Schweiz als auch Frankreich folgen dem Wohnsitzprinzip. Dies bedeutet, dass nach dem Recht beider Staaten das Erbrecht des Staates Anwendung findet, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte.

Für einen zuletzt in Frankreich wohnenden Schweizer gilt also grundsätzlich das französische Erbrecht. Eine Rechtswahl ist nach französischem Recht nicht möglich.

Jedoch enthält das französische Recht eine Besonderheit: Anders als in der Schweiz besteht in Frankreich das Prinzip der Nachlassspaltung.

Dieses besagt, dass unterschiedliche Anknüpfungen für Immobiliarnachlass und den sonstigen Nachlass bestehen. Frankreich unterstellt Liegenschaftsvermögen dem Erbrecht des Staates, in welchem sich die Liegenschaft befindet, während für den übrigen Nachlass das Erbrecht des letzten Wohnsitzes (in unserem Beispiel also Frankreich) gilt.

Praktische Bedeutung hat dies, wenn Schweizer mit letztem Wohnsitz in Frankreich Eigentum an Liegenschaften in anderen Ländern (auch der Schweiz) innehatten.

Da das Schweizer Recht im Falle von Erbschaften auf das Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte, verweist, ist das Französische Erbrecht einschlägig durch Vermächtnis zu verteilen.

Dieses bestimmt jedoch, dass bei im Ausland gelegenen Liegenschaften das materielle Erbrecht dieses Staates Anwendung findet.

Die praktische Konsequenz ist, dass sich in diesem Fall das Erbrecht an einer sich in der Schweiz befindlichen Liegenschaft nach Schweizer Erbrecht richtet, während der gesamte übrige Nachlass französischem Erbrecht unterliegt. Praktisch handelt es sich hier also um zwei getrennt zu behandelnde Erbmassen.

Demnach hat in dem Fall, dass ein Schweizer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in Frankreich Erblasser ist, das französische materielle Erbrecht immense Bedeutung.

Dieses lässt sich im Überblick wie folgt darstellen:

Die erste Klasse sind die Abkömmlinge des Erblassers, die zweite die Eltern und Geschwister. Dann kommen die Verwandten in aufsteigender Linie, also z.B. die Großeltern, und zuletzt die Verwandten in der Seitenlinie, also Onkel, Tanten und Cousinen.

Das Erbrecht des Ehegatten ist der Höhe nach davon abhängig, ob Abkömmlinge vorhanden sind.
Ohne Abkömmlinge oder Eltern des Erblassers erhält der Ehegatte den gesamten Nachlass.
Sind beide Eltern vorhanden, erbt der Ehegatte die Hälft; ist nur ein Elternteil vorhanden, erbt der

Ehegatte ¾ des Nachlasses.

Neben Abkömmlingen hat der Ehegatte die Wahl, ob er ¼ zu Eigentum erben möchten, oder ein

Nießbrauchsrecht am gesamten Nachlass wünscht.

Zudem hat der Ehegatte ein unentgeltliches Nutzungsrecht an der Hauptwohnung der Eheleute. Dieses erstreckt sich auch auf das Mobiliar und ist binnen Jahresfrist nach dem Todesfall geltend zu machen.

Das französische Erbrecht kennt als Testament sowohl das handschriftliche als auch das öffentliche, vor einem Notar errichtete Testament.

Es kann jedoch durch Testament keine Erbeinsetzung erfolgen. Es ist nur möglich, den Nachlass durch Vermächtnis zu verteilen.

Das französische Pflichtteilsrecht ist als Noterbrecht ausgestaltet. Es kann nur über den so genannten freien Teil frei verfügt werden. Dieser wiederum hängt von Zahl und Art der Noterben ab.

Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge des Erblassers und der Ehegatte. Letzterer jedoch nur dann, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind.

Die Erbschaftssteuer

Eine andere Frage ist, in welchem Staat und nach welchem Erbschaftssteuerrecht die Erbschaft besteuert wird.

Während in der Schweiz, je nach Kanton, entweder keine oder, je nach Verwandtschaftsverhältnis, eine nur sehr geringe Erbschaftssteuer anfällt, ist dies in Frankreich, wenn man von Ehegatten, die von der Erbschaftssteuer befreit sind, massiv anders.

Dies ist schon an den – verhältnismäßig geringen – Freibeträgen zu erkennen:

Verwandte gerader Linie erhalten einen Freibetrag von 156.359 Euro.

Geschwister erhalten einen Freibetrag von 15.636 Euro, sie sind aber dann gänzlich von Erbschafsteuern befreit, wenn sie entweder über 50 Jahre alt oder erwerbsunfähig sind und mit dem Erblasser vor dessen Tod mindestens fünf Jahre zusammengelebt haben.

Neffen und Nichten erhalten einen Freibetrag von 7.818 Euro.

Behinderte und Arbeitsunfähige (ohne Verwandtschaftsgrad) erhalten einen Freibetrag von 156.359 Euro.

Sonstige Erben erhalten einen Freibetrag von 1.520 Euro

Die Steuersätze sind unterschiedlich, je nach Höhe des Erbes und des Verwandtheitsgrades. Bei Verwandten gerader Linie können sie bis zu 40 % gehen, bei sonstigen Erben sogar bis 60 %.

Wie die Erbschaftssteuer bei einem Schweizer Erblasser, der seinen letzten Wohnsitz in Frankreich hatte, geregelt wird, bestimmt sich nach dem zwischen der Schweiz und Frankreich diesbezüglich bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen.

Das auf Bundesebene abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich ist auch für die Kantone verpflichtend.

Nach diesem Doppelbesteuerungsabkommen kann Frankreich grundsätzlich das gesamte Vermögen, also auch die in der Schweiz gelegenen Liegenschaften, bei der Erbschaftssteuer berücksichtigen, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in Frankreich hatte.

Für die in der Schweiz gelegenen Liegenschaften kann jedoch grundsätzlich auch die Schweiz Erbschaftssteuer verlangen, soweit diese in dem jeweiligen Kanton vorgesehen ist.

Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung ist jedoch der Betrag anzurechnen, welcher in dem anderen Land, hier also Frankreich, bereits bezahlt wurde.

Praktisch hat dies folgende Auswirkung:

Es ist davon auszugehen, dass für diese Liegenschaften und Werte, für welche das Doppelbesteuerungsabkommen lediglich eine Anrechnung vorsieht, praktisch die niedrigste Freigrenze und der höchste Steuersatz gelten. Aufgrund der Schwierigkeiten der einzelnen mit der Erbschaft im Zusammenhang stehenden Fragen empfiehlt es sich daher dringend, rechtzeitig fachkundigen Rat in Anspruch zu nehmen, um mögliche Nachteile so gut wie möglich zu vermeiden.


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