Grenzüberschreitende Rechtsformwechsel: EUGH macht den Weg frei

Gute Nachrichten für alle Unternehmen, die damit liebäugeln, mittel- bzw. langfristig ins Ausland, z.B. von Deutschland nach Italien, zu expandieren. Neben den gesetzlich geregelten Fällen der Sitzverlegung einer Societas Europaea (SE) und der grenzüberschreitenden Verschmelzung gibt es jetzt eine weitere Form der grenzüberschreitenden Umstrukturierung: mit seinem Urteil in der Sache der italienischen Kapitalgesellschaft “VALE Costruzioni Srl” (Urteil vom 12.7.2012 – C-378/10) erlaubt der Europäische Gerichtshof (EuGH) den grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel. Damit ist es innerhalb der EU jetzt möglich, die Rechtsform über die Staatsgrenzen hinweg zu ändern. Gesellschaften können ihren Satzungssitz in ein anderes EU-Land verlegen, sofern sie Rechtsform und Statuten an dessen Recht anpassen. Die Gesellschaft erlischt im Herkunftsstaat und entsteht neu im aufnehmenden EU-Land. Bestehende Verträge gelten fort und müssen nicht erst auf eine neue Gesellschaft übergeleitet werden. 

1. Dem vom EuGH jüngst entschiedenen Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: die in Rom gegründete italienische Kapitalgesellschaft “VALE Costruzioni Srl” hatte ihren Sitz und ihre Tätigkeit in ein anderes EU-Land (Ungarn) verlegt; im römischen Handelsregister wurde sie antragsgemäß gelöscht mit entsprechendem Vermerk. Die Frage, die der EuGH zu klären hatte, war, ob im Handelsregister des aufnehmenden EU-Staates eingetragen werden kann, dass die VALE Costruzioni Srl die Rechtsvorgängerin der neuen Gesellschaft ist. Da ein solcher Eintrag nach dem Recht des aufnehmenden EU-Staates bei inländischen Umwandlungen vorgesehen ist, soll dies ausweislich des Urteils des EUGH auch für grenzüberschreitende Umwandlungen gelten.

In seinem Urteil weist der EuGH zunächst darauf hin, dass für die Gründung und Funktionsweise einer Gesellschaft die nationalen Rechtsvorschriften maßgeblich seien. Die Niederlassungsfreiheit gebiete es jedoch, nationale und grenzüberschreitende Sachverhalte gleich zu behandeln. Eine inländische Regelung sei daher dann mit der Niederlassungsfreiheit unvereinbar, wenn sie für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer formwechselnden Sitzverlegung vorsehe, einer ausländischen Gesellschaft diese Möglichkeit durch Umwandlung in eine inländische Gesellschaftsform jedoch verwehre. Allerdings obliegt es nach Ansicht des EuGH dem aufnehmenden Mitgliedsstaat, die für einen solchen Umwandlungsvorgang maßgeblichen innerstaatlichen Voraussetzungen und Regelungen selbst zu bestimmen.

2. So gut die Nachricht ist, auf folgendes sollte u.a. geachtet werden:

der vom EuGH entschiedene Fall betrifft eine Hinein-Umwandlung, d.h. von Italien nach Ungarn. Für eine Heraus-Umwandlung käme es darauf an, ob das nationale Gesellschafts-/Umwandlungsrecht eine Löschung der Kapitalgesellschaft ohne Abwicklung vorsieht.

Weiters ist zu bedenken, dass bei der Sitzverlegung zu beachtende Vorschriften noch entwickelt werden müssen, entsprechendes gilt in steuerrechtlicher Hinsicht. Diesbezüglich wird diskutiert, ob sich entsprechende Vorschriften an der Sitzverlegung einerSE oderder grenzüberschreitenden Verschmelzung orientieren sollen.

Wer sich angesichts dieser Unklarkeiten nicht für den Rechtsformwechsel entscheiden mag, dem stehen mit den Möglichkeiten der SE zur Sitzverlegung und der grenzüberschreitenden Verschmelzung Mittel zur Verfügung, die -zwar wohl im Vergleich zum “einfachen” Rechtsformwechsel, wie ihn der EuGH jetzt erlaubt, mit mehr Aufwand- rechtssichere grenzüberschreitende Umgestaltungen ermöglichen.

Unternehmen, die eine Umwandlung im Blick haben, kann geraten werden, sich rechtzeitig qualifizierten Rat über die in ihrem Fall beste Variante einzuholen. Ein Rechtsanwalt kann auch dabei behilflich sein, die Details mit den zuständigen Registergerichten abzustimmen.


Studio Legale Reichel
Beatrix Grossblotekamp, LL.M.