Handelsvertreterrecht: Kein Ausschluss des Handelsvertreterausgleichs durch Gerichtsstandsvereinbarung!

In Handelsvertreterverträgen können die Vertragsparteien den Gerichtsstand frei wählen. Allerdings sind Gerichtsstandsvereinbarungen, die dazu führen, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters dadurch umgangen wird, dass in einer Vereinbarung ein ausschliesslicher Gerichtsstand ausserhalb Europas vereinbart wird, unwirksam. Der Schutz des Ausgleichsanspruch des in der EU-tätigen Handelsvertreters geht jetzt soweit, dass er einem vereinbarten Gerichtsstand, der ansonsten international respektiert wird, vorgeht. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) gerade in einer neueren Entscheidung klargestellt (Beschluss v. 05.09.2012,Az.: VII ZR 25/12).

Das Handelsvertreterrecht ist inzwischen europaweit vereinheitlicht. Es sieht u.a. vor, dass jedem in der EU tätigen Handelsvertreter bei Beendigung des Vertragsverhältnisses ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung zusteht, deren Höhe maximal eine durchschnittliche Jahresprovision auf der Grundlage der letzten fünf Jahre beträgt. Weiters sieht das Handelsverteterrecht vor, dass der Anspruch vertraglich nicht ausgeschlossen werden kann. Das gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auch dann, wenn der Unternehmer seinen Sitz in einem Staat ausserhalb der EU hat und im Handelsvertretervertrag das Recht dieses Staates für anwendbar erklärt wird; entscheidend ist allein, dass der Handelsvertreter in dem EU- Land tätig ist.

Der Ausgleichsanspruch des in der EU-tätigen Handelsvertreters kann nunmehr auch nicht mehr dadurch umgangen werden, dass die Vertragsparteien einen Gerichtsstand in einemLandausserhalb der EU vereinbaren, das keinen Ausgleichsanspruch kennt. Das hat der BGH mit seiner neueren Entscheidung klargestellt. Im entschiedenen Fall klagte ein in Deutschland, Österreich und Tschechien tätiger Handelsvertreter vor deutschen Gerichten auf Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs gegen seinen US-amerikanischen Vertragspartner. Laut Vertrag sollte das Recht von Virginia/USA, das keinen Ausgleichsansprich kennt, gelten und dort auch der Gerichtsstand sein. Der BGH erklärte die Vereinbarung des Gerichtsstands in Virginia für unwirksam und liess die Klage des Handelsvertreters vor deutschen Gerichten zu: die Gerichtsstandsvereinbarung sei unwirksam, weil “das von den Parteien gewählte Recht (…) keinen zwingenden Ausgleichsansprich (…) kennt und das Gericht des Drittstaates das zwingende europäische und nationale Recht (…) nicht zur Anwendung bringen” würde.

Praxistipps:

1. Wird der Handelsvertreter ausserhalb der EU tätig, kann der Ausgleichsanspruch nach wie vor ohne weiteres im Vertrag ausgeschlossen werden. Dies selbst dann, wenn der Vertrag dem Recht eines EU-Landes, d.h. eines Landes, dessen Recht das Verbot des Ausschlusses des Ausgleichsanspruchs vorsieht, unterliegt.

2. Gerichtsstandsvereinbarungen können auch unter Kaufleuten unwirksam sein, z.B. wenn sie dazu führen, dass mit ihnen zwingendes Recht ausgeschaltet würde. Wer im internationalen Geschäftsverkehr tätig ist, dem kann zum Schutz vor unliebsamen Überraschungen geraten werden, vor Vertragsabschluss zu prüfen, ob entsprechende Rechtsregelungen existieren, die nicht durch eine Vereinbarung umgangen werden dürfen. Erfolgen sollte eine Prüfung nicht nur des vereinbarten Rechts, sondern auch eine Prüfung des Rechts des Staates der Handelsvertretertätigkeit. Abhängig vom Ergebnis der Prüfung kommt in Betracht, Gestaltungsoptionen zu finden und den Vertrag entsprechend anzupassen.


Studio Legale Reichel
Beatrix Grossblotekamp, LL.M.
Rechtsanwältin