Internationale gerichtliche Zuständigkeit bei Rechtsstreitigkeiten über Rechte an Grundstücken

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass die den Gerichten eines EU-Mitgliedstaates durch die Brüssel-I-Verordnung (Verordnung EG Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) zuerkannte ausschließliche Zuständigkeit für unbewegliche Sachen nicht dadurch berührt wird, dass ein Gericht eines anderen EU-Mitgliedstaates zuerst befasst wurde. Das ausschließlich zuständige Gericht darf daher weder das Verfahren aussetzen noch sich für unzuständig erklären, sondern muss in der Sache über die bei ihm erhobene Klage entscheiden.

Die Brüssel-I-Verordnung sieht eine ausschließliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen vor. Für solche Rechtsstreitigkeiten sind die Gerichte des Mitgliedstaates ausschließlich zuständig, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Das Gericht des Belegenheitsstaates ist wegen der räumlichen Nähe am besten in der Lage, sich eine gute Kenntnis des Sachverhalts zu verschaffen und die einschlägigen Regeln und Gebräuche anzuwenden, die im Allgemeinen die des Belegenheitsstaates sind.

Zu diesem Themenkomplex hat derzeit das OLG München in einem Rechtsstreit mit Bezug zum Mailänder Zivilgericht zu entscheiden. Vor dem deutschen OLG ist das Verfahren zweier Miteigentümerinnen eines Grundstücks in München rechtshängig. In dem Verfahren begehrt die eine Miteigentümerin als Klägerin – nachdem sie ihr im Grundbuch eingetragenes Vorkaufsrecht am Miteigentumsanteil der anderen Miteigentümerin (Beklagte) ausgeübt hat – die Beklagte dazu zu verurteilen, die Eintragung der Eigentumsübertragung im Grundbuch zu bewilligen. Beim Tribunale ordinario di Milano (Zivilgericht Mailand, Italien) ist bereits zuvor ein Rechtsstreit über das Vorkaufsrecht rechtshängig gemacht worden: der Käufer, an den die andere Miteigentümerin ihren Miteigentumsanteil verkaufen wollte, hat beide Miteigentümerinnen vor dem italienischen Gericht verklagt, um die Ungültigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts und die Gültigkeit des Vertrages über den fraglichen Miteigentumsanteil feststellen zu lassen.

Da das Verfahren beim italienischen Gericht zuerst rechtshängig war, möchte das deutsche OLG nun wissen, ob es sein Verfahren aussetzen und sich ggf. für unzuständig erklären muss. Es hat daher die Frage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.

Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 03.04.2014 (Az. C-438/12) zunächst klargestellt, dass die ausschließliche Zuständigkeit für dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen auch für Klagen gilt, die auf Feststellung der Ungültigkeit der Ausübung eines an einem Grundstück bestehenden und gegenüber jedermann wirkenden Vorkaufsrechts gerichtet sind.

Weiters hat der EuGH entschieden, dass das später angerufene Gericht, wenn es als Gericht des Belegenheitsstaates ausschließlich zuständig sei, weder das Verfahren aussetzen noch sich für unzuständig erklären dürfe, sondern in der Sache über die bei ihm erhobene Klage entscheiden müsse. Denn eine Entscheidung, die das zuerst angerufene Gericht unter Verletzung der ausschließlichen Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts erlasse, könne nach der Verordnung im Mitgliedstaat des später angerufenen Gerichts nicht anerkannt werden. Es entspräche nicht dem Gebot einer geordneten Rechtspflege, wenn in einem solchen Fall die Regel der Rechtshängigkeit angewandt würde.

Das ausschließlich zuständige Gericht dürfe daher weder das Verfahren aussetzen noch sich für unzuständig erklären, sondern müsse in der Sache über die bei ihm erhobene Klage entscheiden.

Daher muss das OLG München nun unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vor dem Mailänder Gericht in der Sache entscheiden.


Studio Legale Reichel
Beatrix Grossblotekamp, LL.M.
Rechtsanwältin