Internationale Kaufverträge: INCOTERMS können Gerichtsstand bestimmen!

Internationales Recht – diritto internazionale

Internationale Kaufverträge: INCOTERMS können Gerichtsstand bestimmen!

  • Beitrags-Kategorie:Internationales Recht
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  • Beitrag zuletzt geändert am:18.07.2024

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem unlängst ergangenen Urteil (C-87/10) entschieden, dass die Incoterms bei der Beantwortung der Frage, welches internationale Gericht im Streitfall zuständig ist, ausschlaggebend sein können. Die Reichweite der Entscheidung wird voraussichtlich sehr beachtlich sein, denn vielfach fehlen Gerichtsstandsvereinbarungen bei grenzüberschreitenden Lieferverträgen ganz oder sind unwirksam.

Vereinbarungen über das im Streitfall international zuständige Gericht sind bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nur bei Einhaltung strenger Anforderungen wirksam: von Ausnahmen abgesehen, müssen sich die Vertragsparteien entweder schriftlich auf einen Gerichtsstand einigen oder sie können sich zwar auch mündlich einigen, der andere Vertragspartner muss diese Einigung dann aber schriftlich bestätigen. Die bloße Versendung von AGBs im Rahmen einer Auftragsbestätigung, wie in Deutschland gebräuchlich, genügt in der Regel nicht!

Ist kein Gerichtsstand vereinbart worden bzw. eine entsprechende Vereinbarung unwirksam, kann entweder am Sitz des Beklagten oder am Erfüllungsort geklagt werden. Bei internationalen Verträgen über den Verkauf beweglicher Sachen ist Erfüllungsort der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem die Waren nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen.

In dem vom EuGH entschiedenen Fall hatte ein italienisches Unternehmen Waren an ein französisches Unternehmen verkauft, eine Gerichtsstandsvereinbarung hatten die Parteien nicht getroffen. Ausweislich des Vertrages war als Lieferbedingung „Resa: Franco ns. sede“(Übergabe: frei Sitz ) vereinbart. Weil das französische Unternehmen in der Folgezeit den vereinbarten Kaufpreis nicht bezahlte, klagte das italienische Unternehmen den Kaufpreis vor dem italienischen Gericht ein. Das französische Unternehmen rügte die internationale Zuständigkeit des italienischen Gerichts und trug vor, es seien die französischen Gerichte international zuständig. Das italienische Unternehmen wiederum stellte sich auf den Standpunkt, die internationale Zuständigkeit italienischer Gerichte ergebe sich aus der vereinbarten Lieferbedingung: mit ihr sei eine der Incoterms “EXW” (ex works/ab Werk) entsprechende Klausel vereinbart worden, weshalb sich der Erfüllungsort und damit der Gerichtsstand am Verkäufersitz, also in Italien, befinde.

Bereits in einer anderen, vorangegangenen Entscheidung hatte der EuGH ausgeführt, dass bei einem Verkauf, bei dem die Ware vom Verkäufer zum Käufer befördert wird, Erfüllungsort der Ort ist, an dem die Ware dem Käufer endgültig übergeben wird, wenn der Erfüllungsort sich nicht auf Grundlage des Vertrages ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht bestimmen lässt. In seiner neueren Entscheidung hat der EuGH nun klargestellt, dass sich der Erfüllungsort auch dann nach dem Vertrag bestimmen lässt, wenn der Lieferort zwar nicht ausdrücklich im Vertrag bezeichnet ist, sich aber anhand allgemein anerkannter und im internationalen Verkehr üblicher Klauseln bestimmen lässt. Zu diesen Klauseln gehören die Incoterms, wenn sie nicht nur eine Gefahrtragungs- und Kostenregelung enthalten, sondern auch eine Bestimmung des Lieferortes ermöglichen.

Etwas anderes kann dann gelten, wenn die Incoterm-Klausel auf einen Ort in einem Land verweist, in dem weder der Käufer, noch der Verkäufer ihren Sitz haben; dann spreche, so der EuGH, einiges dafür, dass dieser Ort nur zum Zweck der Gefahr- oder Kostentragung vereinbart wurde.

Fazit:

In allen Fällen, in denen eine Gerichtsstandsvereinbarung fehlt oder nicht wirksam ist und die Parteien über das international zuständige Gericht streiten, wird das angerufene Gericht seinen Blick künftig auch auf Incoterms und ihnen vergleichbare Klauseln richten müssen. Insoweit kommt ihnen künftig noch mehr Bedeutung zu, denn über sie kann ein Gerichtsstand geschaffen werden. Voraussetzung ist, dass sich der Erfüllungsort ohne Rückgriff auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht anhand des Vertrages ermitteln lässt. Incoterms und ihnen vergleichbare Klauseln sind ein Indiz, wenn die Klauseln die Bestimmung des Lieferortes ermöglichen und sich aus dem Vertrag nichts anderes ergibt.

Bei den Incoterms können als Faustregeln gelten, dass

  • die E-Klausel (EXW/ex works/ab Werk), die F-Klauseln (z.B. FCA/free carrier/frei Frachtführer) und die C-Klauseln (z.B. CPT/carriage paid to/Fracht bezahlt bis) i.d.R. zu einem Gerichtsstand beim Verkäufer führen
  • die D-Klauseln (z.B. DAP/delivered at place/geliefert nach benanntem Bestimmungsort, DDP/delivered duty/geliefert/Zoll bezahlt) i.d.R.zu einem Gerichtsstand beim Käufer führen.

Um im Streitfall nicht auch noch die Frage nach dem international zuständigen Gericht klären zu müssen, ist es in jedem Fall ratsam, bei der Vertragsgestaltung darauf zu achten, dass sich der Erfüllungsort zweifelsfrei aus dem Vertrag entnehmen lässt.

Studio Legale Reichel – Beatrix Grossblotekamp, LL.M. – Rechtsanwältin