Nach der Trennung: Umzug eines Elternteils mit dem Kind ins Ausland

Wenn der Sorgeberechtigte, bei dem das Kind lebt, mit dem gemeinsamen Kind ins Ausland ziehen will, wird es für den anderen, umgangsberechtigten Elternteil häufig mit gemeinsamen Wochenenden schwierig. Die Familiengerichte entscheiden durchaus unterschiedlich. Welche Rechtsgrundsätze greifen? Eine Übersicht.

Fall 1:

Die getrennt lebenden Eheleute hatten die gemeinsame Sorge für die zweijährige Tochter. Die Mutter – gebürtige Irin – entschloss sich, mit dem Kind nach Irland überzusiedeln. Sie stellte den Antrag auf Zuerkennung des alleinigen Sorgerechts. Da die Ausreise von Mutter und Kind nach Irland unmittelbar bevorstand, beantragte der Vater im Wege der einstweiligen Anordnung die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich. Er machte geltend, dass nach Übersiedlung von Kind und Mutter nach Irland ein kontinuierlicher Umgang mit seiner Tochter kaum noch möglich sei.

Das Gericht (OLG Nürnberg, Beschluss v. 14.03.2012, Az.: 10 UF 1899/11) wies den Antrag des Vaters zurück, die Mutter konnte mit dem Kind nach Irland übersiedeln. Zu gewichten sei das Interesse des Kindes, bei der Mutter zu bleiben. Diese habe bisher die wesentlichen Erziehungsaufgaben übernommen. Auch zeitlich sei das Kind wesentlich häufiger mit seiner Mutter als mit dem Vater zusammen gewesen. Zwar habe die Tochter ein natürliches Interesse, die Beziehung zu ihrem Vater aufrechtzuerhalten; die Mutter-Tochter-Beziehung sei im vorliegenden Fall aber eindeutig die stärkere Verbindung, so dass es das Wohl des Kindes erfordere, das Aufenthaltsbestimmungsrecht bei der Mutter zu belassen. Der Nachteil, dass die Umgangskontakte zwischen Vater und Kind in Zukunft deutlich erschwert würden, müsse im Interesse des Kindes hingenommen werden.

Fall 2: 

In einem ähnlichen Fall kam das OLG Koblenz (Beschluss v. 04.05.2010, Az.: 11 UF 149/10) zu einer anderen Entscheidung. Hier beantragte die Mutter das alleinige Sorgerecht, weil sie mit dem Kind nach Italien ziehen wollte. Dort hatte sie eine Beziehung zu einem Mann aufgenommen, mit dem sie zusammen leben wollte.

Diese Begründung reichte dem OLG Koblenz nicht: es wertete die Rechtsposition des Vaters stärker als das OLG Nürnberg dies in seiner Entscheidung getan hatte. Dies beruhte allerdings auch darauf, dass das Gericht zu der Auffassung gekommen war, die Kindesmutter wolle u.a. auch deshalb nach Italien ziehen, um das Umgangsrecht des Kindesvaters zu verhindern.

Nach Auffassung des OLG-Senats ist das Sorgerecht in solchen Fällen nur dann auf den umsiedlungswilligen Elternteil zu übertragen, wenn dieser plausible und triftige Gründe für seinen Umsiedlungswunsch vorbringt.

Exkurs– Wissenswert für Elternteile, die mit dem gemeinsamen Kind von Italien nach Deutschland ziehen möchten: während die deutschen Familiengerichte üblicherweise in der Abwägung zur Entscheidungsfindung auch den Auswanderungswunsch des Elternteils berücksichtigen, stellen die italienischen Familienrichter i.d.R. ausschliesslich auf das Wohl des Kindes ab; weitere Faktoren, wie z.B. der Auswanderungswunsch des Elternteils, bleiben bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt!


Studio Legale Reichel
Beatrix Grossblotekamp, LL.M.
Rechtsanwältin