Kindergeld für im EU-Ausland lebende Elternteile

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat eine Entscheidung (Urteil vom 04.02.2016, Az.: III R 17/13) von allgemeiner Bedeutung erlassen zur Frage des Anspruchs auf Kindergeldzahlungen, wenn die Eltern eines Kindes in unterschiedlichen EU-Staaten leben und in keinem EU-Staat ein gemeinsamer Haushalt der Eltern besteht.

Im Streitfall beantragte ein in Deutschland wohnender deutscher Staatsangehöriger Kindergeld für seinen Sohn. Der Sohn lebt in Polen im Haushalt seiner Mutter, der geschiedenen polnischen Ehefrau des Vaters. Die Familienkasse hatte zuvor den Antrag des Vaters abgelehnt mit der Begründung, der Anspruch auf Kindergeld stehe nicht dem Vater, sondern der das Kind betreuenden Mutter zu; dem stehe nicht entgegen, dass die Mutter in Deutschland nicht über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfüge.

Der BFH hat entschieden, dass die Mutter – und nicht der in Deutschland lebende Vater –  kindergeldberechtigt ist, wenn das Kind im EU-Ausland bei der Mutter lebt. Bei Ansprüchen auf Familienleistungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten sei die gesamte Familie so zu behandeln, als würde sie in dem Mitgliedstaat wohnen, dessen Familienleistungen beansprucht werden (Wohnsitzfiktion). Da das deutsche Kindergeldrecht nicht danach unterscheide, ob die Eltern eines Kindes verheiratet seien oder nicht, sei auch die geschiedene Ehefrau Familienangehörige. Somit gelte sie als mit dem Kind in Deutschland lebend. Damit stehe ihr der Anspruch auf Kindergeld zu, da nach deutschem Recht das Kindergeld bei getrenntlebenden Eltern vorrangig an den Elternteil ausgezahlt werde, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe.

Inhaltsgleich hat der BFH in einem zweiten Urteil vom 10.03.2016 (Az.: III R 62/12) entschieden. Hier lebten die beiden Töchter des in Deutschland wohnenden Klägers bei ihrer in Griechenland lebenden Großmutter. Der BFH urteilte, dass nach deutschem Recht ein Anspruch auf Kindergeld auch einem Großelternteil zustehe, der sein Enkelkind in seinen Haushalt aufgenommen habe. Auch hier sei zu fingieren, dass die Großmutter mit ihren beiden Enkelinnen in Deutschland lebe. Damit habe sie Anspruch auf Kindergeld.


Studio Legale Reichel
Beatrix Grossblotekamp, LL.M.
Rechtsanwältin